Wenn ein Baum oder ein Mensch so
und so gemalt wird, dann kriegen wir die ästhetische
Leistung gleich bar präsentiert.
Aber wenn sich einfach Malerei zeigt, die nicht wild auf
Gegenstände ist, sondern sich
fast dafür geniert, daß solche auftauchen, dann sind wir zuerst
allein gelassen als Betrachter.
Wir stehen offenbar reiner Malerei gegenüber, das heißt, wir
sind auf uns selber angewiesen.
Und das ist nicht sofort ein Genuss. Unsere Augen sind
Verkehrszeichen gewöhnt.
Der Kurzschluss vom Auge zum
Gehirn ist unser Normalzustand. Und jetzt irren die Augen in
Gemaltem und an ihm herum und
können nichts melden. Es dauert eine Zeitlang, bis sie sich
aus ihrer Abgerichtetheit
befreien und fähig werden, etwas auf sich wirken zu lassen, was
keine Chance hat, eine Meldung zu
werden. Wer diese Zeit hat, dem geht dann vielleicht
etwas auf. Es kann befriedigend
sein, nicht zu wissen, warum man etwas schön findet.
Vielleicht ist das eine Art
Freiheitsempfindung. Und Schöneres kann Schönes nicht bewirken.
Martin Walser, Konstanz, 1984 in „Selbstgespräch vor Peter Rieks Bildern“